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Vereinsgeschichte:
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Aus der Geschichte der Gürzenicher Schützenbruderschaft!
Die St.-Hubertus-Schützenbruderschaft in Gürzenich kann als einer der ältesten Bruderschaften auf eine traditionsreiche Geschichte und eine große Vergangenheit zurückblicken. Sie führt ihr Bestehen auf das Jahr 1343 zurück. Die Jahreszahl, überliefert von Generation zu Generation und so zur Tradition geworden, kann als Gründungsjahr angesehen werden. Wenn auch in vergangenen Jahrhunderten so vieles aus der Geschichte der Bruderschaft verloren ging, so stützen doch, wie wir im folgenden sehen werden, mehrere Hinweise und Berichte diese Annahme.
W. Ewald führt in seinem Buch "Die Rheinischen Schützengesellschaften", Ausgabe von 1933, worin alle Schützengesellschaften der damaligen Rheinprovinz genannt sind, die St.-Hubertus-Schützenbruderschaft in Gürzenich mit der Angabe "vor 1370" auf. Danach nahm unsere Bruderschaft unter den ältesten der Rheinprovinz die elfte Stelle ein. Wie auch im Heimatbuch "Unsere Heimat Gürzenich" aus dem Jahre 1955 berichtet, nannte der ehemalige Museumsdirektor Dr. Huff auf Grund seiner Unterlagen das Jahr 1343 als Gründungsjahr der Schützenbruderschaft.
Weiter ist bekannt und auch in der Festschrift zum 625-jährigen Jubiläum der Schützenbruderschaft im Jahre 1968 festgehalten, dass im Jahre 1939 Gürzenicher Schützenbrüder in einem rheinischen Stadtarchiv Unterlagen über die Entstehung der Schützenbruderschaft eingesehen und Abschriften anfertigen konnten. Weitere Recherchen waren aus den bekannten Gründen ab 1939 nicht mehr möglich. Leider gingen diese Abschriften durch die Kriegswirren in unserer Gegend verloren. Nach Angabe der im Jahre 1968 noch lebenden Augenzeugen, denen die oben erwähnten Abschriften vorgelegen haben, war das Jahr 1343 als Gründungsjahr genannt.
In seinem Buch "Ursprung und wesen der spätmittelalterlichen Schützengilden" nennt Theo Reintges die Gürzenicher Schützengesellschaft mit dem Zusatz "ca. 1400 gegründet" und in einer Festschrift der Dürener Schützenbruderschaft St. Rochus und St. Sebastianus werden die Gürzenicher Schützen als Teilnehmer an einem Gastschießen der Kölner Andreas-Bruderschaft im Jahre 1440 genannt.
Die älteste uns erhalten gebliebene Erwähnung der Bruderschaft finden wir im Erbungsbuch des Gerichtes Gürzenich, das sich im Dürener Stadtarchiv befindet. Herr Helmut Krebs, Mitarbeiter des Stadtarchives, hat uns dankenswerterweise folgenden Auszug vermittelt:
"Die Passage auf Seite 17 vermerkt den Verkauf von zwei Morgen Land 'Im Winkelhoeff' hinter 'Schultzhoeff' (?) an die 'heren zo Gürzenich' und ... Wulff durch Merten Reiffertz, der ihnen jährlich 12 Stüber Hafer gibt sowie der Bruderschaft ('broderschafft') vier Albus und dem Schultheiß zu Birkesdorf 20 Albus 2. Mai 1584"
Entgegen früheren Veröffentlichungen wird hier also nicht von einem Stück Land "gegenüber dem Pfaffenhof" gesprochen. Bei der im Gerichtsbuch genannten Bruderschaft muss es sich um die Hubertus-Schützenbruderschaft handeln, da es zu dieser Zeit keine andere Bruderschaft in Gürzenich gab. Obwohl wir kaum etwas über die Anfänge wissen, hat es in Gürzenich auf jeden Fall schon sehr früh eine Bruderschaft gegeben.
Die Schützenbruderschaften hatten in ihren Ursprüngen im allgemeinen bürgerwehrähnliche Aufgaben, denn es oblag ihnen und darauf ist auch ihr Entstehen zurückzuführen, ihren Ort und seine Bewohner in Notzeiten vor fremden Übergriffen zu schützen. Die Schützen verblieben zum Schutz der Bevölkerung im Ort selbst, konnten aber bei höchster Gefahr auch an anderer Stelle eingesetzt werden.
Unruhige Zeiten waren seit den Jahrhunderten des Mittelalters die Regel. Unser Land im Mittelpunkt Europas mit seinensich ständig bekämpfenden Fürsten und Völkern, denen auch die religiösen Streitigkeiten der Reformation und Gegenreformation oft als Alibi zur Ausweitung ihres Machtbereiches dienten, war der Willkür fremder Heere und der Mord- und Raublust marodierender Soldateska immer wieder ausgeliefert. Die Bevölkerung war darauf angewiesen, sich oft selbst zu helfen. Auf dem Landtag zu Hambach im Jahre 1596 wurde zum Beispiel beschlossen, wegen der unsicheren Zeiten die nicht unbedingt nötigen Wege zu vergraben, d. h. unbefahrbar zu machen, Landwehren zu errichten und die notwendigen Pässe mit Schanzen und Schlagbäumen zu sichern. In diese unruhige Zeit fallen auch die ersten Erwähnungen der Gürzenicher Schlagbäume:
"an der kettenn" 1550
" kettenfelt" 1603 (Kette als Sperre eines Weges)
"Die Kett"
Über die "Kett" lesen wir in "Sagen aus dem Ruhrgebiet" von H. Hoffmann:
"Ein Mann von Gürzenich kam in der Annakirmeswoche spät abends von Düren. Vor dem Johanneskreuze schlug er den Feldweg ein und gelangte bis an die 'Kett', wo sich jetzt Mohrs Ziegelei befindet. Dort wird der Weg von einem Feldweg gekreuzt. An dem Kreuzungspunkt waren damals zwei Hügel ..."
Als weiterer Schlagbaum wird erwähnt "die Wehrlatz", später Schlagbaum:
"uf der werlatzen mytt dar zu gehorigen bongardt und weydt" 1604 (befestigte Wegsperre)
In der Mitte des 18. Jahrhunderts wird die gleiche Stelle "ahm Schlagbaum" genannt.
Die Aufgabe der Schützen bestand also in Kriegszeiten in der Verteidigung ihres Heimatortes. Als ortsansässige Bürger, die ihre Familien und ihr Hab und Gut zu schützen hatten, waren sie dafür etwas im Gegensatz zu angeworbenen Söldnern weitaus besser motiviert.
In Friedenszeiten fungierten die Schützen als eine Art Polizeitruppe, der außer der Bewachung der Ortseingänge auch der Flurschutz übertragen war. Ferner sorgten sie für Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, verfolgten Rechtsbrecher oder begleiteten die Warentransporte der Kaufleute als Schutz vor Überfall und Raub.
Die Situation der damaligen Zeit wird uns in den Zeitschriften des Aachener Geschichtsvereins unter "Glaubensauseinandersetzungen zwischen Aachener Protestanten und Jülicher Katholischen" wie folgt beschrieben:
"Der Straßenraub war bald unter Befehl der Jülicher systematisch organisiert. Das ganze Jülicher Land war unsicher.
Am schlimmsten ging es in der Gegend von Düren und Aldenhoven zu. Im Gebiet des Herrn von Gürzenich saßen unstete Soldaten; Brotschützen nannte sie das Volk. Die Brotschützen lauerten auf die Kaufleute, plünderten sie und liefen gleich nach dem Raub davon."
Im Laufe der sich wandelnden Zeit verloren die Schützen ihren Einfluss als wehrhafte Truppe. Einschneident war vor allem die napoleonische Ära, als die Franzosen den Schützen das Schießen verboten und das Eigentum der Schützen konfiszierten. Aber wie bisher nach jedem Krieg bauten auch nach den Befreiungskriegen von 1813 due Bürger ihr Schützenwesen wieder auf. Der Schützendienst entwickelte sich mehr zum Ehrendienst. Zu den vornehmsten Aufgaben der Schützenbrüder zählte das Geleit der Gottestracht, die feierliche Prozession am Fronleichnamstage.
Die Kirche entfaltete bei dieser Gelegenheit stets großen Prunk. Kostbare sakrale Gegenstände, wie Monstranzen und goldene Kelche wurden zu Ehre Gottes mitgeführt, die naturgemäß die Begehrlichkeit des räuberischen Gesindels weckten. Der Begleitschutz der Schützen war also durchaus von Nöten. Bis heute begleiten die Schützen die Fronleichnams- und die Johannesprozession als frommes Ehrengeleit.
Einer der vier Segen, die am Fronleichnamstag erteilt wurden, führte die Gürzenicher Gläubigen früher zum Hubertus-Heiligen-Häuschen, das am Rande der Flur "Große Schelle" stand, wo der "Galgenbusch" beginnt. Dieser zur Ehre des heiligen Hubertus an der rechten Seite der Landstraße nach Schevenhütte errichtete Bilderstock ist heute nicht mehr vorhanden. Erstmals erwähnt wurde er in der Mitte des vorigen Jahrhunderts "ahn sti Huberti heiligen häußgen". Er ist auch eingezeichnet in der Tranchot/v Muffling Karte, einer Kartenaufnahme aus den Jahren 1805/06, und in der Katasterkarte von 1858.
Was speziell die Hubertus-Verehrung in Gürzenich betrifft, so befindet sich im Pfarrarchiv von Gürzenich eine Hubertus-Biographie. Dieses heute restaurierungsbedürftige Buch, wurde nach dem letzten Krieg in der Kaplanei, auf dem Dachboden wiederentdeckt. Als Gedächtnisstiftung des Grafen Theod. von Schellard gelangte die Biogrphie 1804 an die Pfarrei zu Gürzenich.
Pfarrer Zander (1855-1895) hat uns schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen, nach denen die alte, 1861 abgebrochene Kirche als vierter Altar einen Hubertusaltar besaß. Das alte Altarbild mit einer Darstellung aus der Hubertus-Legende ließ Pfarrer Gasper vor einiger Zeit restaurieren; es hängt nun in der Schlosskapelle. Ob der Hubertus-Altar inkorperiert wurde, lässt sich wie vieles andere nicht mehr feststellen, da das Gürzenicher Pfarrarchiv kaum noch über Unterlagen verfügt, die in die Zeit vor 1700 zurückreichen.
Eng verbunden mit der Schützengesellschaft war zeitweise die kirchliche Bruderschaft. Wie in Gürzenich war auch andernorts bei den Schützengesellschaften die Verbindung weltlicher und kirchlicher Elemente weit verbreitet. Die Brüder und Schwestern der kirchlichen Bruderschaft waren vornehmlich verpflichtet zu Gebetsübungen, Almosengeben, Opfer und Spenden für den Gottesdienst, Sorge für die Seelenruhe der Verstorbenen und anderen Werken der christlichen Nächstenliebe und Frömmigkeit. Alle, die an den Festtagen der Bruderschaft, das waren der Fastnachtssonntag, der Pfingstmontag, der letzte Sonntag im August und der 3. November, teilnahmen, d. h. beichteten, kommunizierten, die genannte Kirche besuchten und ihr Gebet andächtig verrichteten, erwarben einen Ablass.
Zwei Zettel mit den Statuen dieser Bruderschaft haben sich bis heute erhalten. Der erste, heute im Pfarrarchiv, wurde am 5.2.1836 unter Pastor Johannes Wolters gedruckt und am 8.12.1839 auf Lambert Watteler ausgestellt. Eine Abbildung zeigt hinter Hubertus mit seinen Attributen die alte Gürzenicher Pfarrkirche.
Ein zweiter Zettel wurde der Schützenbruderschaft freundlicherweise durch Wilhelm Haupt aus Düren überlassen. Er wurde am 10.7.1840 unter Pastor Franz Josef Quitter gedruckt, jedoch erst 1874 ausgestellt. Auf dem Bild mit Hubertus und dem Hirsch ist diesmal die neue Kirche abgebildet. Der Text ist nahezu identisch mit dem des ersten Zettels und beginnt wie folgt:
"Kurzer Unterricht über den Endzweck, die Pflichten und geistlichen Vortheile der Bruderschaft welche seit undenklichen Zeiten unter dem Schutze des wunderthätigen h. Bischofs Hubertus in der Pfarrkirche zu Gürzenich bestand, vom Papste Innocenz XXI den 15. Aug. 1698 mit vollkommenen und anderen Ablässen begnadigt, und den 21. Feb. 1805 unter Papst Pius VII mit den Reliquien dieses ewig denkwürdigen Heiligen beschenkt worden ist."
Aus einem von Pfarrer Zander 1862 herausgegebenen Bruderschafts-Andachten-Buch geht hervor, dass es zu dieser Zeit außer der Hubertus Bruderschaft drei weitere Beterbruderschaften in Gürzenich gab, und zwar die Jesus-Maria-Josef-Bruderschaft, die Bruderschaft vom heiligen Herzen Maria und der heiligen Märtyrerin Barbara. Alle diese Bruderschaften dienten hier wie auch anderenorts dem Zweck die Mitglieder zu einem wahrhaft religiösen Leben anzuhalten.
Wie noch einige Schützenbrüder wissen, hat die kirchliche Hubertus-Bruderschaft in Gürzenich bis zum 2. Weltkrieg bestanden. Bis dahin lag am Hubertustag in der Kirche das Bruderschaftsbuch aus, in das sich die jeweiligen Mitglieder eintrugen.
Heute nun hat sich die Schützenbruderschaft zu einer Vereinigung entwickelt, die fast ausschließlich auf das gesellschaftliche Leben ausgerichtet ist. Gleichwohl fühlt sie sich der Tradition der Vorfahren verpflichtet. Sie ist eine Bereicherung des örtlichen Vereinslebens und stellt ein Bindeglied dar zwischen Alt und Jung, alteingesessenen und neuzugezogenen Bürgern, vor allem aber zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
(entnommen aus der Festschrift anlässlich des 650-jährigen Jubiläums der Bruderschaft)
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